V. Leben und Wachstum der Kolonien


Die deutschen Kolonisten zeichneten sich durch großen Fleiß, kluge und sorgfaltige Wirtschaftsführung sowie liebevollen Umgang mit dem ihnen übereigneten Land aus. Dadurch konnten sich die Kolonisten vergleichsweise schnell eine Existenz sichern und ihren Wohlstand weiter ausbauen.
Dank fleißigen Einsatzes schafften aserbaidschanische Deutsche Epidemien und Kriege zu überleben und aktive Hilfe in der Region zu leisten. So war Helenedorf zu Zeiten des russisch-persischen Krieges völlig zerstört. Erstaunlich schnell haben die überlebte Dorfbewohner ihre Heimstätte wiederaufgebaut und die Kolonie zu einem noch schöneren Ort gehoben.

Während des russisch-türkischen Krieges von 1877, in dem Aserbaidschan zum Kriegsschauplatz geworden war, lieferten deutsche Kolonien der zaristischen Armee Fuhrwerke, halfen der einheimischen Bevölkerung Hand in Hand den Hunger und die Elend des Krieges zu überstehen.

Mit Rückkehr des Friedens machten sie sich wieder an die Arbeit und wurden dafür vom fruchtbaren Boden reichlich belohnt. Die Einnahmen aus der Landwirtschaft erhöhten den Lebensstandard der Kolonisten und lösten viele soziale Fragen, verbesserten Alltag und Wohlgestalt der Siedlungen. Als Einnahmenquelle nahm der Weinanbau mit der Zeit immer mehr an Bedeutung zu.

Die Kultur des Weinbaus ist im Orient schon seit dem Altertum bekannt. Archäologische Ausgrabungen sowie schriftliche Überlieferungen der antiken und mittelalterlichen Historiker, Geographen sowie Reisenden zeugen davon, dass auch Aserbaidschan ein Land der Weinrebe ist. Die archäologischen Befunde der antiken Siedlungen in der Nähe von Sarytepe, Nasirbejtepe, Chynysly im Raum Mingetschevir wie das zur Weinherstellung genutztes Tongeschirr, Presssteine und große Krüge zur Weinlagerung sprechen dafür, dass Weinbau und Weinproduktion auf dem Gebiet des heutigen Aserbaidschans schon im Altertum praktiziert wurden. Mit der Verbreitung des Islam, die auch auf Ebenen Aserbaidschans fiel, änderte sich auch die Behandlung der Weinkultur. Die strengen muslimischen Gesetze verbaten nicht nur den Genuss, sondern auch den Anbau der Rebstöcke. Völlig verrottet war die Weinkultur allerdings nicht. Neben heimlichem Genuss in eigenen vier Wänden gaben es auch Ausnahmen. Davon zeugt u.a ein Schriftdenkmal des aserbaidschanischen Volkes „Kitabi Dede-Gorkud“, der von dem von Weingenuss begleiteten Festmahle erzählt.

Obwohl ein Großteil des aserbaidschanischen Bodens für die Kultivierung der Weinrebe ideal ist, war der Weinbau als landwirtschaftlicher Zweig im Wirtschaftsleben des Landes Jahrhunderte lang von minderer Bedeutung. Anstatt Wein oder Cognac wurden Weinreben zum direkten Genuss oder zur Herstellung von Sirup verwandt, den man hier „Bekmes“ oder „Doschab“ nannte.

Das zaristische Russland, das die unterentwickelte Weinbau in den neu eroberten aserbaidschanischen Gebieten als entgangenen Gewinn sah, versuchte durch gezielte Umsiedlung der deutschen Kolonisten in die weintraubenreichste Gebiete die Reichtümer des Landes auszuschöpfen und Weinimporte in Gesamtrussland zu verringern.

Bild rechts: Weinlese in Helenendorf, Ende 19. Jahrhunderts.

Der Erfolg dieser Strategie war prädestiniert. Die deutschen Kolonisten machten den Weinbau zum zentralen Geschäftsfeld. Der gute Boden, eine reiche Bewässerung, Sorgfalt und Fleiß brachten von Jahr zu Jahr eine Erweiterung der Anbauflächen, die der Kolonie zu reichen Einnahmen verhalfen. Wenn der Weinbau zunächst weitgehend aus importierten Weinrebesorten erfolgte (z.B.: französische "Muskat Rose" und nordamerikanische Sorte "Isabella"), so kamen später auch selektionierte einheimische Weinsorten zum Einsatz (z.B.: Alabaschly und Kara-Tschanach).

 

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